FVA 23 - Abgasanlage

Gegen Mitte der siebziger Jahre schien sich das Problem des Fluglärms zu einer zentralen Existenzfrage zumindest der Sportfliegerei auszuweiten. Wenn man den Lärm düsengetriebener Zivil- und Militärflugzeuge als notwendiges Übel schon ertragen musste, dann sollten wenigstens die unnötigen Umweltschänder in Form von einmotorigen Sportflugzeugen vom Himmel verschwinden. Das Thema wurde sehr polemisiert und man erkannte bald seine besondere Eignung als Wahlkampfargument. Auf die Auswirkungen brauchte man nicht lange zu warten:

Gesetzliche Flugbetriebsbeschränkungen zu festgelegten Zeiten an bestimmten Tagen und für Flugzeuge, die die verschärften Lärmemissionsgrenzen überschritten, wurden bald erlassen.

Es lag daher für die FVA nicht fern, sich ihrerseits des Lärmproblems anzunehmen. Der Forschungsauftrag „Wölbklappenautomatik“ war gerade erfolgreich abgeschlossen, und Prof. Dr. A.-W. Quick sicherte der FVA seine Unterstützung bei der Bearbeitung eines Forschungsprogrammes zu, das sich mit der Lärmemission von für den Segelflugzeugschlepp eingesetzten Motorflugzeugen befasste.

Ein zu diesem Zweck eingereichter Antrag zur Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) wurde dank des Einsatzes von Prof. Quick im Jahre 1976 genehmigt und umfasste folgende Gebiete:

  • Ermittlung der Lärmanteile von Luftschraube, Motor, Verkleidung, Zelle, besonders aber der Abgasanlage
  • Konstruktion und Bau einer Abgasanlage (FVA-23)
  • Lärmminderungsmaßnahmen an der Luftschraube

Von vornherein wurde das Projekt auf den Schleppflug und auf die Beibehaltung konventioneller, d. h. getriebeloser Motoren beschränkt, da nur solche Lösungen schnell einen entscheidenden Erfolg bringen konnten, die für die Masse der derzeit fliegenden Schleppflugzeuge hinsichtlich des finanziellen und technischen Aufwandes vertretbar waren. Die der FVA gehörende Schleppmaschine Robin DR 400 180R „Remorqueur“ war ein besonderes für den Flugzeugschlepp ausgelegtes und in der Bundesrepublik sehr verbreitetes viersitziges Motorflugzeug. Im Hinblick auf den späteren Nutzen der Forschungsergebnisse war daher dieses Flugzeug besonders geeignet.

Es sollte eine Abgasanlage konstruiert und gebaut werden, die den verschärften gesetzlich fixierten Lärmgrenzen genügte, ohne zu große Leistungseinbußen des Triebwerkes in Kauf nehmen zu müssen. So wurden zunächst Gegendruckmessungen vorgenommen sowie deren zeitlicher Ablaut mit Hilfe von Messverstärkern, Druckaufnehmern und Oszillographen aufgezeichnet. Anhand dieser Messdaten wurde mit der Auslegung der FVA-23 begonnen. Eine wichtige Forderung hierbei war, dass die gesamte Anlage aus aerodynamischen Gründen unter der serienmäßigen Motorverkleidung der „Remorqueur“ verschwinden sollte.

Da aufgrund der Bauart der serienmäßigen Abgasanlage zu erwarten war, dass sie zum Gesamtlärm einen nicht unerheblichen Beitrag lieferte (sie bestand lediglich aus zwei Sammelrohren für je ein Zylinderpaar) bot sich hier ein erster Ansatzpunkt.

Detlef Lippeck griff eine Idee auf, die bereits früher bei der Neumotorisierung der FVA-18 „Primitivkrähe“ vom Prinzip her mit Erfolg erprobt worden war. Er entwarf eine der Leistung und dem Hubraum des Remorqueur-Motors angepasste zweiteilige Wirbelkammer-Auspuffanlage. Als Material wurde hochwarmfestes Edelstahlblech 1.4428 gewählt. Bei der Herstellung der Abgasanlage konnte man auf die besondere Unterstützung des FVA-Förderers Franz Matzerath zurückgreifen, in dessen Firma in Düren die FVA-23 gebaut wurde. Mit einer „Vorversion“ und viel Messelektrik fuhren die Konstrukteure zur Firma Sportavia-Pützer auf die Dahlemer Binz. Nach vielen Leistungs-, Auspuffgegendruck- und Zylinderkopftemperaturmessungen stand fest, dass „es ging“: Etwa ein Drittel des zulässigen Gegendrucks, Leistungseinbuße 5%. Nach der Rückkehr nach Aachen wurden noch einige zusätzliche Maßnahmen zur weiteren Gegendruckabsenkung getroffen, und während Erimar (OMC) Schilberg noch damit beschäftigt war, die letzten fehlenden Millimeter Platz zwischen Triebwerkverkleidung und Auspufftopf zu schaffen, lief bereits der Antrag auf vorläufige Zulassung.

Erste Vergleichsmessungen mit einem anderen Flugzeug gleichen Typs, das mit einer den verschärften Vorschriften entsprechenden, aber voll im freien Luftraum unter dem Rumpf aufgehängten Zusatzauspuffanlage ausgestattet war, zeigten vollen Erfolg: Im Uberflug in 1000ft (1.000 ft = 305 m) Höhe nach dem gleichen Verfahren, wie es im Auftrag des Luftfahrt-Bundesamtes bei der Zulassung von neuen Flugzeugmustem angewandt wurde, ergaben sich für beide Flugzeuge exakt gleiche Lärmpegel (5dB(A) niedriger als mit der originalen Auspuflanlage), wobei jedoch die FVA-Remorqueur im Gegensatz zu der Vergleichsmaschine im Verhältnis zum Originalzustand nicht merkbar an Schlepp-, Steig- und Reiseleistung eingebüßt hatte. Dieses Ergebnis legte den Schluss nahe, dass nunmehr der Luftschraubenlärm überwog, und das Projekt FVA-23 seinen Zweck erfüllt hatte.

Die Abgasanlage, die notgedrungen voluminöser und schwerer als die Originalanlage war, war jedoch nicht ganz frei von Mängeln. Besonders durch das höhere Gewicht bildeten sich nach einiger Betriebszeit Vibrationsrisse. So kam es öfters vor, dass die Anlage abgebaut und bei Franz Maizerath wieder repariert wurde. Deshalb wurde unter Berücksichtigung der Erfahrungen mit dem Prototyp eine zweite verbesserte Version FVA-23 V2 gebaut.