FVA 18a - Primitivkrähe

Ende der fünfziger Jahre herrschte in der FVA die Meinung, jeder Flugzeugbaustudent sollte nach seinem Studium auch den Privatpilotenschein in der Tasche haben. Da die Kosten der damaligen Motormaschine D-EMYR für den Etat eines Studenten zu hoch waren, wurde beschlossen, ein leichtes, billiges Motorflugzeug mit harmlosen Flugeigenschaften für die Schulung und Übung zu entwickeln. Als Bauweise bot sich die Gemischtbauweise an, wie sie durch den Segelflug damals üblich war. Bezüglich der Zelle ließ man sich von der EMYR (PiperJ 3C) „inspirieren“.

Da bei einem Motorflugzeug alles vom Triebwerk abhängt, musste zuerst ein brauchbares beschafft werden. Die amerikanischen Motoren waren viel zu teuer, und so richtete man das Augenmerk auf den Pollmann-Flugmotor, der aus dem VW-Motor entwickelt wurde und eine Dauerleistung von 30PS bei einer Drehzahl von 3.200 U/min abgab. Um nun zu erreichen, ein doppelsitziges Flugzeug mit einer Startleistung von nur wenig mehr als 30 PS in die Luft zu bekommen, musste die zur Verfügung stehende Motorleistung optimal genutzt werden.

Durch sorgsame Auswahl der Luftschraube gelang es, den Propellerwirkungsgrad auf den Wen von 0.78 zu bringen bei einem Fortschritt 0,2.

Zur Erzielung dieses guten Wertes war es notwendig, der Luftschraube einen vergleichsweise riesigen Durch- messer zu geben. Er betrug 2,15 m.

Außerdem musste man die Drehzahl des Triebwerks auf 1.100 U min herabsetzen. Erst sollte dies durch eine von der Firma Pollmann für den Motor mitgelieferte Keilriemenuntersetzung erfolgen, die sich allerdings als unbrauchbar erwies. Darum musste von der FVA ein Getriebe entwickelt werden, welches die erforderliche Drehzahluntersetzung von 2,85 : l durch einen schrägverzahnten Stirnradtrieb lieferte.

Bei der konventionell ausgelegten Zelle — Stahlrohrrumpf und einteiliger angestrebter Flügel — stand eine extreme Leichtbauweise im Vordergrund. Geizen mit jedem Gramm Gewicht. Abfeilen jeder überlangen Schraube, Abkratzen jedes Leimtropfens hatten sich jedoch gelohnt: 250 kg Leergewicht für ein doppelsitziges Motorflugzeug mit einer Spannweite von 10,50 m und einer Rumpflänge von 6,70 m waren nicht alltäglich.

Bis zur baulichen Fertigstellung des Flugzeuges war eine Menge von Schwierigkeiten zu überwinden. Es mussten verschiedene Festigkeitsversuche gemacht werden, wie z. B. Tragflügelbelastungsversuche. Die Tragflügelstiele wurden im Institut für Bauforschung auf Knickfestigkeit untersucht.

Die mit einem Gewicht von 90 kp recht schwere Triebwerksanlage ließ das Fluggewicht auf 430 kp ansteigen. Geplant waren einmal 400 kp, die zu erreichen aber einen ungeheueren Mehraufwand erfordert hätte. Außerdem war dabei die Forderung nach Einfachheit und billiger Bauweise nicht mehr aufrechtzuerhalten.

Die Rumpfbreite der FVA-18 betrug nur 0,67 m. Man hatte sie nicht zuletzt deshalb so gering gewählt, um die Abstrahlverluste der Luftschraube gegen den Rumpf gering zu halten. Allerdings stellte sich nachher heraus, dass bei dieser Rumpfbreite ein gewichtiger Mitflieger mit den Seitenruderpedalen des Piloten (der Pilot saß in Tandem—Anordnung hinter dem Co-Piloten) in Berührung kam.

Quer- und Höhenruderbelastungsversuche und Fahrwerksfallversuche vervollständigten die Versuchsreihe. Bis die FVA-18 als Flugzeug der Kategorie „Normal“ (Lastvielfaches n = 3.8) voll nach den amerikanischen Bauvorschriften CAR-Part 3 zugelassen worden war, mussten neben Berechnungsunterlagen rund 300 Seiten von rechnerischen Festigkeitsnachweisen geliefen werden.

Die Flugversuche wurden nach den Bestimmungen des „Civil Aeronaurics Manual (CAM)“ und nach dem „Flight Test Report Guide“ durchgeführt. Hierin wurden jede Fluglage und Flugsituation festumrissenen Anforderungen unterworfen.

Die Flugerprobung musste den Nachweis erbringen, dass sich die Eigenschaften und Leistungen des Flugzeuges in diesem Rahmen bewegen. Abweichungen davon sollten während der Erprobung erkannt und abgestellt werden.

Die Erprobung des selbstkonstruierten Getriebes erstreckte sich im wesentlichen auf die Zuverlässigkeit. Dazu musste es für eine bessere Kontrolle in festen Abständen zerlegt werden, um Verschleiß festzustellen oder Lager und undichte Simmeringe auszuwechseln.

Die Rollversuche hatten schon günstige Ergebnisse gezeigt, wie z. B. kurze Rollstrecke bis zum Abheben, leichte Handhabung und ausreichende Wirkung der selbstentwickelten Scheibenbremsen. Bei Sprüngen von 100-200 m Länge auf 2-5m Höhe konnten bereits vor dem eigentlichen Erstflug gute Ruderwirksamkeit, ausgewogene Ruderabstimmung und angenehme Handkräfte ermittelt werden. Es stellte sich aber bald heraus, dass die Luftschraubensteigung zu gering gewählt war. Die Motordrehzahlen gingen im Stand bei Vollast auf 3.400-3.500 U/min, so dass der Motor bei Abhebegeschwindigkeit schon überdrehte. Eine neue Luftschraube wurde bei der Firma Hoffmann in Auftrag gegeben.

Die ersten Flüge waren dazu ausersehen, das Normalverhalten der FVA-18 festzustellen. Dabei stieg schon nach wenigen Flugminuten die Öltemperatur über das zulässige Maß an. Außerdem konnte durch die Entlüftung des Getriebes Öl auf die Frontscheibe spritzen.

Das Getriebe zeigte bei Motordrehzahlen unter 1.800 U/min starke Geräusche, die, wie sich später herausstellte, auch auf Fehlzündungen des Motors zurückzuführen waren. Da in dem herausgeworfenen Öl Metallspäne zu finden waren, wurde das Getriebe schon nach 20 Minuten Flugzeit auseinandergenommen. Die schrägverzahnten Evolventenzahnräder hatten sich um 4 mm gegeneinander verschoben und schlugen in einen Distanzring.

Ein neukonstruierter zusätzlicher Distanzring verhinderte dann ein Wandern der Zahnräder gegeneinander, und das Getriebe wurde wesentlich ruhiger. Die nächsten Flüge galten weiterhin den Messungen von Öl- und Zylinderkopftemperatur. Zusätzliche Leitbleche verstärkten die Ölkühlung für den Horizontalflug auf die konstante Temperatur von 90°C. Beim Steigflug reichte sie nur beschränkt aus. Man musste, um größere Höhen zu erreichen, Horizontalflüge zur Kühlung einlegen.

Bei einem Gewicht von 380 kp wurden folgende Flugleistungen erflogen:

  • Reisegeschwindigkeit: 100 km/h bei 3200 U/min, 90 km/h bei 3000 U/min
  • Abhebe-Startstrecke: 40 m
  • Startstrecke über 15m: ca. 120 m
  • Steiggeschwindigkeit: ca. 2,10 m/s
  • Erreichte Höhe: 2500 m
  • Kraftstoffverbrauch: 9 l/h
  • Reichweite: 380 km

Überziehversuche bei Reisedrehzahl zeigte langsames Abkippen nach vorne mit sehr geringem Höhenverlust (ungefähr 20 m). Das Flugzeug fing sich bei voll gezogenem Hörhensteuerselbst ab, da die Strömung am Flügel sich sofort wieder anlegte.

Im Leerlauf erfolgte das Abkippen etwas schneller, das Flugzeug ging mit Vorliebe über den linken Flügel in einen Schiebezustand. Es ließ sich leicht durch Gegensteuermaßnahmen in den Normalflugzustand zurückbringen.

Die ersten Trudelversuche bei mittlerer Schwerpunktlage konnten durch Normalsteuerausschläge eingeleitet und auch wieder ausgeleitet werden. Die FVA-18 drehte dabei 1/4 bis 1/2 Umdrehung nach. Das Trudeln unterschied sich kaum von einem Steilkreis mit Minimalfahrt.

Die nächsten Flüge erfolgten mit höchstzulässigem Fluggewicht. Nach einer Fahrtmesserreichung wurden noch folgende Punkte erflogen: Vordere und hintere Schwerpunktlage mit dem entsprechenden Betriebsverhalten, Dienstgipfelhöhe, Start- und Landestrecke, Längsstabilität, Kursstabilität, Trudeln und Flattern. Die Flugerprobung wurde bei Herrn Professor Dr.-Ing. A. W. Quick am Institut für Luft- und Raumfahrt im Rahmen der Diplomarbeit von Freddy Schliewa durchgeführt.

Die Krähe hätte also das Zeug zum beliebten Clubflugzeug gehabt, wäre das selbstgebaute Getriebe nicht so laut und unruhig und der Motor etwas einfach zu starten gewesen. So aber stand die Krähe meistens traurig in der Halle, während die Motorscheinpiloten größtenteils Schleppflüge durchführten.

Im Jahre 1971 wurde sie auf dem Treffen der Oskar-Ursinus-Vereinigung (OUV) in Egelsbach vorgeflogen. wo sie viel beachtet wurde:

„Am nächsten Tag stellten die Vertreter der FVA Aachen ihre „Primitivkrähe“ – FVA-18 vor. Von den Flugeigenschaften dieses Vogels, der wegen seiner einfachen Bauweise seinen Namen mit Recht trägt, konnten sich alle Interessierten selbst überzeugen, indem sie sich an den Knüppel setzten und mit der Krähe in die Luft gingen. Fazit der Vorstellung des Flugzeuges aus Aachen: Alle reden vom Clubflugzeug zum Nachbau – wir haben es. Nur interessiert sich (noch) keiner dafür.“ (aus Deutscher Aerokurier, Heft 8 71, S. 556. Bericht über OUV-Treffen)

Besonders die geringe Mindestgeschwindigkeit von 55 km h und das harmlose Überziehverhalten beeindruckten so sehr, dass die anwesenden Tragschrauberpiloten vor einem Vergleichsfliegen „kniffen“. Die einfache Bauweise erweckte das Interesse der Hobby-Flugzeugbauer. In den folgenden Jahren wurden unzählige Anfragen beantwortet und zehn Zeichnungssätze an Interessenten abgegeben.