Geschichte

In der Zeit nach dem ersten Weltkrieg lagen für die deutsche Luftfahrt und Fliegerei ähnliche Verhältnisse vor wie in den verflossenen Jahren nach dem letzten Kriege. Nicht nur jede fliegerische Betätigung, sondern auch Konstruktion und Bau von Luftfahrzeugen wurden durch die Siegermächte verboten, wovon allerdings 1918 entsprechend dem Entwicklungsstande nur die Motorfliegerei betroffen war. Aus diesen Verhältnissen heraus fanden sich in Deutschland schon vor 1920 hier und da Angehörige und Freunde der Fliegerei und Luftfahrtwissenschaft zusammen, die als Betätigungsfeld den damals wenig beachteten motorlosen Gleitflug, der nicht unter das Verbot der Alliierten fiel, wählten. Vor allem entstanden so an verschiedenen Technischen Hochschulen Gruppen von Ingenieuren und Studierenden, die sich mit dem Bau dieser motorlosen Maschinen befassten. So erfolgte auch an unserer Hochschule im Jahre 1920 unter Führung von Professor Dr. [Theodore] von Kármán die Gründung der Flugwissenschaftlichen Vereinigung Aachen (FVA), die damit eine der ältesten, vielleicht sogar die älteste, akademische Fliegergruppe ist. Für den 1920 erstmalig ausgeschriebenen Rhön-Wettbewerb wurde das erste Flugzeug der FVA, der „Schwarze Düwel”, gebaut, eine Konstruktion, die von Dipl.-Ing. [Wolfgang] Klemperer entworfen und von ihm auch in der Rhön geflogen wurde. Im Gegensatz zu den damals bekannten Gleitflugzeugen stellte der „Schwarze Düwel” eine völlig neuartige Lösung dar, ein freitragender Tiefdecker, der zur Erreichung eines möglichst geringen Luftwiderstandes unter Fortfall jeder äußeren Verstrebung und Verspannung ausgeführt war. Der ,,Schwarze Düwel” erzielte bei seinen Flügen in der Rhön Flugzeiten von über einer Minute. So bescheiden dies heute klingt, für damalige Verhältnisse war das eine ganz außergewöhnliche Flugdauer eines Gleitflugzeuges. Neuartig war auch die von der FVA in der Rhön eingeführte Startmethode mittels eines Gummiseils, die seither allgemein angewandt wird. Die Flüge des „Schwarzen Düwel” erregten großes Aufsehen und trugen erheblich zu einer günstigen Beurteilung der Aussichten des motorlosen Fluges bei, so dass man sich entschloss, den Rhönsegelflugwettbewerb für das folgende Jahr 1921 erneut auszuschreiben. Von da ab kam es dort zu einem jährlichen Leistungstreffen der Segelflieger.

Für das Jahr 1921 baute die FVA als Weiterentwicklung des „Schwarzen Düwel“ die „Blaue Maus”, womit sie wieder bessere Flugleistungen erreichte, u. a. einen Weltrekorddauerflug von über 13 Minuten, sowie den ersten Überlandflug von der Wasserkuppe nach Gersfeld. In den folgenden Jahren konstruierte die FVA verschiedene neuartige Segelflugzeugmuster, so einen Ententyp, die ,,Rheinland” und weitere Maschinen, die auch mit mehr oder weniger großem Erfolg in den Rhönsegelflugwettbewerben starteten. Als in den Jahren 1924 und 1925 in Deutschland wieder der Bau von Motorflugzeugen erlaubt wurde, verlagerte sich verständlicherweise das Schwergewicht der FVA-Tätigkeit vom Segelflug zur Motorfliegerei. Einige Leichtmotorflugzeuge wurden in Aachen konstruiert, gebaut und vom Flughafen in Düsseldorf aus geflogen, da damals Aachen noch besetztes Gebiet war. Neben der eigenen Tätigkeit der FVA an Konstruktion und Bau von Flugzeugen, wurden von 1925 an zahlreiche Mitglieder, in erster Linie Studierende des Flugzeugbaues, bei auswärtigen Fliegerschulen zum Flugzeugführer ausgebildet und hierdurch eine wertvolle praktische Ergänzung des Studiums erreicht. Die FVA unterhielt seither mehrere Motorflugzeuge, die entweder aus eigenen Mitteln gekauft oder von hochherzigen Gönnern und Freunden gestiftet oder von offiziellen Stellen zur Verfügung gestellt wurden. Eine wesentliche Erleichterung des Flugbetriebes ergab sich nach der Räumung Aachens durch die damalige Besatzungsmacht, als der Flugplatz Merzbrück frei wurde und der FVA zur Verfügung stand. Hier wurden fortan in eigener Werkstatt auch alle Arbeiten zur Wartung und Reparatur durchgeführt, sowie Umbauten zu Versuchsflügen, zur Leistungsverbesserung einzelner Flugzeuge für die Teilnahme an Wettbewerben [und vieles mehr]. Mit vielen Erfolgen nahm die FVA im Laufe der Jahre an zahlreichen flugsportlichen Veranstaltungen teil, so an den Deutschlandrundflügen und Zuverlässigkeitswettbewerben, am Rheinischen Flugturnier [und vielen Weiteren]. Aber auch Entwicklung und Bau eigener Segelflugzeuge wurde weiterhin betrieben. Im Jahre 1933/34 entstand die FVA 9, in Erinnerung an die ersten Rhönflüge wiederum ,,Blaue Maus” genannt, danach folgten die Typen FVA 10a und FVA 10b mit den Namen ,,Theodor Bienen” und ,,Rheinland”. Mit der „Rheinland” gelang Felix Kracht im Jahre 1937 von Salzburg aus die erste Alpenüberquerung im Segelflugzeug bis in die oberitalienische Tiefebene. Weitere Flugzeugmuster entstanden in den Jahren 1937/39, FVA 11 und FVA 12, letzteres unter dem Namen ,,Olympia-Jolle” bekannt, das im Rahmen der Ausschreibung eines Einheitsflugzeuges für die kommenden Olympiaden gebaut wurde. Es handelte sich immer um Entwicklungen und Konstruktionen der FVA, die auch von ihren Mitgliedern auf zahlreichen Wettbewerben und Segelfliegertreffen geflogen wurden. Abgesehen von den jährlichen Rhönwettbewerben nahm die FVA an allen erreichbaren Flugveranstaltungen im In- und Auslande teil, so 1937 in den Alpen, 1938 in Bern, Frankfurt und in Tunis, 1939 in Darmstadt und Wien. Bis zum Kriegsausbruch wurden zwölf verschiedene Flugzeugmuster gebaut, außerdem wurden von der FVA im Laufe der Jahre etwa zehn Motorflugzeuge unterhalten. In Merzbrück standen eine ausreichende Flugzeughalle mit eigener Werkstatt und allen notwendigen maschinellen Einrichtungen, sowie ein Wohn- und Klubraum, der ,,Erbhof”, zur Verfügung. Den Mitgliedern, in erster Linie den Studierenden des Flugzeugbaues, konnte mit konstruktiver Tätigkeit, Eigenbau, Flugversuchen und -erprobung, mit der Möglichkeit zur fliegerischen Ausbildung und allgemeiner flugsportlicher Betätigung in einer guten Mischung eine wertvolle und notwendige Ergänzung des Studiums gegeben werden. Ein Flugzeugbaustudierender ist hierbei auf die Hilfe anderer, auf die Arbeit einer größeren Gemeinschaft angewiesen. Der Ausbruch des Krieges hatte leider sehr bald eine weitgehende Einstellung der FVA-Tätigkeit zur Folge. Die Mitglieder wurden zum großen Teil zur Wehrmacht einberufen, die Flugzeuge auf höhere Weisung hin abgeholt und nach Berlin zur DVL bzw. nach Darmstadt überführt. Eine Tätigkeit in kleinerem Umfange wurde auf dem Flugplatz bis Januar 1940 noch aufrechterhalten, dann wurde der Platz durch die Luftwaffe belegt, und damit fand die Arbeit der FVA praktisch ein Ende. Einem Luftangriff fiel in Merzbrück die große Flugzeughalle der FVA zum Opfer. Mit Kriegsende und der völligen Vernichtung schien, wie allen Fliegergruppen Deutschlands, auch der FVA ein Ende gesetzt zu sein. Nach dem Kriege war Aachen fast ganz von seiner Bevölkerung geräumt. Doch dieses und jenes Mitglied überstand die Zeit hier, andere kamen wieder nach Aachen, und so traf man sich zunächst rein zufällig mit dem Ergebnis, dass sich dann ganz zwanglos ein monatliches Treffen im Restaurant ,,Kaiser Karl” ergab, bei dem dann natürlich viel über die alten Zeiten der FVA geredet wurde. So bildete sich mit der Zeit wieder ein fester Kreis von FVA-Angehörigen, zu dem auch neue Freunde fanden. Als sich die Verhältnisse in den ersten Nachkriegsjahren etwas geklärt hatten, entstand der Wunsch, die FVA auch nach außen hin wieder aufleben zu lassen. Durch eine Rückfrage beim Vereinsregister des Amtsgerichts wurde festgestellt, dass für die FVA von der Besatzungsmacht keine Löschung der Eintragung angeordnet worden war. Mit Wiederbeginn des Unterrichtes der Technischen Hochschule kehrten dann Studierende zurück, die vor oder während des Krieges bereits Mitglied der Vereinigung waren. So fanden sich allmählich genügend junge Mitglieder zusammen, was Ende 1951 zum Wiederaufleben einer tätigen FVA-Gruppe von Studierenden führte. […] Es ist die Hoffnung der Vereinigung, dass die flugwissenschaftliche und flugsportliche Tätigkeit, die aufbauende Arbeit an Platz und Gerät, sowie die kameradschaftliche Verbindung der Mitglieder nicht wieder in einem Krieg untergehen wird.